14
Aug
2010

Wie die Tages- der Sportschau das Wasser abgräbt

In der ARD muss ein Kleinkrieg zwischen der Tagesschau und der Sportschau ausgebrochen sein. Der wird nun auch öffentlich geführt, zu Lasten des sportinteressierten Zuschauers. Ein Beispiel vom 9. August:

Um 17.15 Uhr gibt es in der ARD-Sportschau einen Bericht über die Schwimm-Europameisterschaften in Budapest. Ich bin vor allem gespannt, wie Paul Biedermann über 400 Meter Freistil abschneiden wird. Um den Anfang nicht zu verpassen, schalte ich um 17 Uhr die Tagesschau ein. Als letzte Meldung verliest die Dame kaltlächelnd: „Paul Biedermann hat vor wenigen Minuten die Silbermedaille geholt.“

Ich bin wütend, die Spannung ist hin. Ich schreibe an die Redaktion der Tagesschau eine Mail:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

was haben Sie sich dabei eigentlich gedacht, ein paar Minuten vor Beginn Ihrer Sendung über die Schwimm-EM in der Tagesschau bereits das Ergebnis der 400 Meter Freistil zu verkünden? Damit nehmen Sie den Sportfreunden ja jede Spannung. Gleichzeitig machen Sie den Kollegen vom Sport das Leben schwer, die versuchen, so zu tun, als berichteten sie live.

Mit verständnislosen Grüßen"


Eine Antwort habe ich bisher nicht erhalten. Stattdessen trieb die ARD gestern wieder das gleiche Spiel nach dem Motto: Bevor die Kollegen von der Sportschau zum Zuge kommen, nennen wir rasch noch die bisherigen Ergebnisse. Damit auch jeder merkt, dass die Sportkollegen nur mogeln, wenn sie so tun, als berichteten sie live.

22
Feb
2006

Versprochen und nicht gehalten

Im Tagesspiegel, einer angeblich seriösen Tageszeitung in Berlin, lese ich am 21. Februar 2006 auf der Seite 1 folgende Überschrift über einer einspaltigen Meldung:
Nach Firmenpleite droht Engpass an Geldautomaten.

Das interessiert mich. Schließlich ziehe ich aus selbst Geld aus diesen Blechkästen, die sich immer weiter vermehren - müssen ein gutes Geschäft sein.

Also lese ich die Meldung. Gleich im ersten Satz wird die Nachricht wiederholt: "Der Zusammenbruch der größten deutschen Geldtransportfirma Heros wegen eines Betrugsfalls könnte die Bargeldversorgung in Deutschland beeinträchtigen." Wie denn? Ich lese weiter. Da steht was über die Unterschlagung von Firmengeldern und die Insolvenz. Und dann wird die bisher durch nichts belegte Behauptung wiederholt: "Die Folgen könnten bald spürbar sein - etwa durch leere Geldautomaten." Zum Abschluss noch ein Satz, der diese Behauptung relativiert, nämlich dass die Bundesbank ihre Filialen angewiesen hat, eine stabile Geldversorgung zu gewährleisten.

Überschrift und Einstiegssatz werden also mit keinem Wort belegt. Aber da steht ja noch ganz unten: "Seite 15". Also blättere ich zum Wirtschaftsteil. Da steht ein fetter Zweispalter. Ich lese ihn einmal, ich lese ihn zweimal.

Sie ahnen es schon. Kein einziges Wort über die angeblich drohende Knappheit an Geldautomaten. Solch ein Vorgehen kann ich nur mit den Machenschaften unseriöser Anbieter vergleichen, die eine Ware anpreisen, sie aber nicht liefern.

14
Okt
2005

Binde- oder Trennstriche

Mail an den Pressesprecher der Internet-Bank ING DiBa:

Lieber Kollege Dr. Ott,

wahrscheinlich haben Sie mit den Anzeigen zum Journalistenpreis, der den Namen von Helmut Schmidt trägt, ja gar nichts zu tun. Aber einen anderen Ansprechpartner als Sie finde ich im Internet nicht. Und so ganz unzuständig sind Sie ja wohl nicht.

Was ich sagen will: Ich finde es ganz toll, dass auch Sie den Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit zu einer Nebeneinahme verschaffen und zugleich die notleidenden Tageszeitungen mit ganzseitigen Anzeigen unterstützen.

Als ich jedoch ihre Anzeige zu Ihrem Journalistenpreis in der "Süddeutschen" sah, zuckte ich zusammen: Dick und fett ein grober Verstoß gegen die Rechtschreibregeln, nach den alten wie nach den neuen. Denn Ihrem Preis - schön, dass er nicht Award heißt - fehlt ein Binde- oder Trennstrich.

Lassen Sie mich Wolf Schneider, den Nestor der guten und richtigen Journalistensprache, zitieren, der in seinem Standardwerk "Deutsch für Profis" ein vergleichbares Beispiel bringt, nämlich die falsch geschriebene "Hermann Löns-Straße". Schneider schreibt: "Es handelt sich nicht um einen Menschen mit dem Doppelnamen Löns-Straße, der mit Vornamen Hermann heißt, sondern um eine Hermann-Löns-Straße."

Und deshalb handelt es sich bei Ihnen auch nicht um einen Menschen mit dem Doppelnamen Schmidt-Journalistenpreis, der mit Vornamen Helmut heißt. Vielleicht geben Sie den Verantwortlichen einen Tipp für den nächstjährigen Helmut-Schmidt-Journalistenpreis.

Mit kollegialen Grüßen

8
Okt
2005

Die Sprache der Autos

Da lese ich gerade im Wirtschaftsteil der SZ einen - übrigens lesenswerten - Bericht über das Gerangel um die Besetzung des VW-Aufsichtsrats. Richtige Quellen werden nicht genannt, die Autoren haben selbst recherchiert und ihren Informanten Quellenschutz zugesichert.

Also lese ich: "Wie die Süddeutsche Zeitung aus Unternehmenskreisen erfuhr, will Wulff dagegen den ehemaligen Siemens-Chef Heinrich von Pierer ... zum Aufsichtsratschef machen."

Gut, das verstehe ich. Jemand von VW will genau diesen Plan des niedersächsischen Ministerpräsidenten torpedieren. Deshalb erzählt er das der SZ, vertraulich natürlich.

Aber dass auch aus "Automobilkreisen" was zu erfahren ist, das wusste ich bisher nicht. Offenbar versteht die SZ die Sprache der Autos.

Aber wenn das so ist, dann möchte ich schon wissen, wer da geplaudert hat. War's vielleicht nur ein Golf oder doch ein 911?

1
Okt
2005

Wahl oder Neuwahlen, das ist die Frage

Eigentlich ist es ja ganz einfach: Alle vier Jahre, wenn nichts dazwischen kommt, findet eine Neuwahl des Bundestages statt. Wenn der Präsident den Bundestag auflöst, ist der Abstand zur vergangenen Wahl halt kürzer. So steht das im Artikel 39 des Grundgesetzes.

Was machen unsere Medienmenschen daraus? Einige setzen jede Wahl des Berliner Parlaments in den Plural. "Bundestagswahlen" klingt einfach nach mehr. Und diesen Mehrwert will man dem Leser schon bieten.

Aber die meisten wissen schon noch, dass wir seit 1949 zwar 16 Bundestagswahlen hatten, aber jede einzelne nur eine Wahl darstellt - anders als bei Kommunalwahlen, bei denen ja viele Gemeindeparlamente gewählt werden.

Im Falle einer Neuwahl nach einer Auflösung des Bundestags breitet sich aber plötzlich Verwirrung aus. Plötzlich mutiert die vorgezogene Wahl zu "Neuwahlen". Nur wenige Menschen in den Redaktionen wehren sich gegen diesen Trend. Das führt dann dazu, dass in den Überschriften der Sigular und im Lauftext der Plural verwendet wird.

Zum Beispiel bei Spiegel Online, der am 19. September verschiedene Koalitionsvarianten unter der Zeile

Von Jamaika bis Neuwahl

vorstellt, im Text aber plötzlich in den Plural verfällt. Ähnlich auch Focus Online.

Nur bei der ZEIT wird durchgehend von "Neuwahl" geschrieben, wenn ich nichts übersehen habe. Deshalb erhält die Redaktion der Wochenzeitung heute den EISERNEN KONRAD.

27
Sep
2005

EISERNER KONRAD für die SZ

Man soll ja nicht nur meckern. Sondern man soll auch loben. Also habe ich beschlossen, den leider aussterbenden Bewahrern der richtigen und guten deutschen Sprache einen Preis zu verleihen, einen virtuellen, versteht sich. Er soll in Erinnerung an Konrad Duden heißen: Der EISERNE KONRAD.

Der erste EISERNE KONRAD geht an die Nachrichtenredaktion der Süddeutschen Zeitung. Sie scheint eine der wenigen Redaktionen zu sein, die den Unterschied zwischen den beiden Verben "dringen" und "drängen" noch kennt. Das schließe ich jedenfalls aus der heutigen Ausgabe, in der ich auf dem Fuß der Seite eins einen Vierspalter finde, der da beginnt mit dem Satz:

Nach dem schwachen Ergebnis der Union bei der Bundestagswahl dringt die CSU auf einen Kurswechsel der C-Parteien.

Da kann ich nur sagen: Bravo. Zumal im selben Satz die Bundestwahl noch völlig richtig im Singular verwendet wird.

Nachtrag:
Die Auszeichnung mit dem EISERNEN KONRAD bringt natürlich eine hohe Verpflichtung mit sich. Das bedeutet, auch Redigierfehler sollten vermieden werden. So wie dieser am nächsten Tag (28.9.05), wieder auf der Seite 1. Da heiißt es im Kasten über Bushs Appell zum Energiesparen:

Die Bilder der Verwüstung, die beide Wirbelstürme hinterließen, haben die Amerikanern nicht nur sehr grundsätzlich neuen Respekt vor der Gewalt der Natur gelehrt.

Ein typischer Redigierfehler. Der Korrespondent, ein ausgezeichneter Schreiber mit leichten Grammatikschwächen, hat das Verb lehren mal wieder mit dem falschen Fall verbunden, hat also formuliert: "...hat den Amerikanern ... gelehrt." Der Redakteur rauft sich die Haare, beginnt zu korrigieren. Dann geht das Telefon. Der CvD fragt, wo das Stück aus Washington für die eins bleibt. Der Redakteur, leicht genervt, meint: Ist schon unterwegs. Der zweite Teil der Änderung wird vergessen.

Kann in der Hektik kurz vor Redaktionsschluss immer passieren. Sollte aber nicht, vor allem nicht bei Inhabern des EK.

22
Sep
2005

Kanzlerwahnsinn, epidemisch

Der plötzlich auftretende Kanzlerwahnsinn, der erstmals am 18. September in der TV-Sendung "Berliner Runde" beobachtet wurde, scheint sich auszubreiten. Dass als erster der SPD-Chef angesteckt wurde, ist bei dem engen Kontakt der beiden Politiker nicht verwunderlich.
Erschreckender allerdings, dass diese mit starkem Realitätsverlust einhergehende Epidemie nun auch auf Angehörige anderer Parteien übergegriffen hat: Wie Schröder, der ohne Mehrheit das Amt des Kanzlers beansprucht, will auch Merkel regieren, hat aber ebenfalls keine Mehrheit. Nur dass ihre Minderheit nicht ganz so klein ist wie die des bisherigen Kanzlers. Und Westerwelle will auch regieren, hat aber erst recht keine Mehrheit. Trotzdem reden sie alle von einem Regierungsauftrag, den ihnen angeblich wir, die Wähler, erteilt haben.
Das aber haben wir gerade nicht. Wir haben mit unseren Stimmen weder Rot-grün noch Schwarz-gelb eine Mehrheit im Bundestag besorgt. Denn allein auf die kommt es an, nicht auf die Größe der Fraktion oder der Partei oder die Schönheit der Kandidaten.
Zur Prophylaxe also noch einmal die Fakten: Kanzler wird der (oder die), der (oder die) eine absolute Mehrheit der Mitglieder des Bundestages hinter sich bringt. Erst nach mehreren vergeblichen Anläufen kann eventuell auch eine einfache Mehrheit reichen - wenn's der Bundespräsident genehmigt.
Wer die Mehrheit zustande bringt, dass ist völlig schnurzegal. Jedenfalls muss er nicht aus der stärksten Fraktion kommen. Aus der kamen Willy Brandt 1969 und später Helmut Schmidt auch nicht und wurden trotzdem Kanzler.

17
Sep
2005

Ein offenener Brief - ganz exklusiv

Willst du etwas geheim halten, dann schreibe einen Offenen Brief. Willst du aber etwas breit unter die Leute bringen, dann versieh dein Papier mindestens mit dem Hinweis "Verschlusssache - Vertraulich - Nur für den Dienstgebrauch". Besser ist natürlich noch der Stempel "Geheim". Doch da solltest du vorsichtig sein, dass du nicht überziehst und deine Abnehmer misstrauisch werden.

Nach dieser goldenen Regel wurde jahrzehntelang in Bonn verfahren und natürlich jetzt in Berlin. Auch in Washington muss der Trick bekannt sein. Denn nach der Nato-Konferenz der Verteidigungsminister in Berlin veröffentlichte der Amerikaner Donald Rumsfeld einen "offenen Brief", in dem er die Berliner Gastgeber über den grünen Klee lobte.

Rumsfeld muss sicher gewesen sein, dass sein Schreiben unbeachtet bleiben würde. Denn ein Lob gerade aus seiner Feder für die deutschen Wiesel wenige Tage für der Bundestagswahl? Unvorstellbar.

Aber da hat er seine Rechnung ohne den "Tagesspiegel" gemacht. Das Berliner Lokalblatt ist immer ganz gierig auf eine exklusive Meldung, sei sie noch so belanglos. Denn man kann sie ja im harten Berliner Konkurrenzkampf mit dem Namen des eigenen Blatts verbinden und kriegt vielleicht noch eine Agenturmeldung, in der der "Tagesspiegel" genannt wird.

Also setzt man eine Meldung auf Seite eins, wohlgemerkt auf die Titelseite, nicht auf die erste Seite des Lokalteils. In der heißt es: "Er habe seinen Aufenthalt in Berlin 'zutiefst genossen', schrieb Rumsfeld in einem 'Offenen Brief an die Bürger von Berlin', der dem Tagesspiegel vorliegt."

Dem Batt liegt also ein "Offener Brief" vor. Tolle Recherche. Ich werfe solche PR-Erzeugnisse in den Papierkorb.
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